Der Sachverhalt
Ein Ehepaar erwarb ein Grundstück mit Einfamilienhaus und Garage zu hälftigem Miteigentum im Kanton St. Gallen. Der Kaufpreis betrug CHF 1'330'000.00. Die Liegenschaft wurde auf einen amtlichen Verkehrswert von CHF 879'000.00 geschätzt. Das Kantonale Steueramt beantragte beim Grundbuchamt aufgrund des bezahlten Kaufpreises eine Neuschätzung. Die Neuschätzung ergab einen Verkehrswert von CHF 1'070'000.00. Das Ehepaar erhob gegen diese Schätzung Einsprache beim Kantonalen Steueramt, welches die Einsprache abwies. Den dagegen erhobenen Rekurs hiess die Verwaltungsrekurskommission gut. Dagegen erhob das Kantonale Steueramt Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Dieses hiess die Beschwerde wiederum gut. Die Eheleute erhoben beim Bundesgericht Beschwerde. Das Bundesgericht wies die Beschwerde jedoch ab (StE 1/2022 B52.21 Nr. 19).
Einfluss auf Vermögenssteuerwert
Der Streit drehte sich um die Neubeurteilung der amtlichen Schätzung und die damit verbundene Festsetzung des Vermögenssteuerwertes des Grundstücks. Nach Art. 14 Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) ist das Vermögen für die kantonale Vermögenssteuer zum Verkehrswert zu bewerten. Gemäss Art. 57 Abs. 1 des kantonalen Steuergesetzes (StG/SG) entspricht der vermögenssteuerliche Verkehrswert von Grundstücken dem mittleren Preis, zu dem Grundstücke gleicher oder ähnlicher Grösse, Lage und Beschaffenheit in der betreffenden Gegend veräussert werden. Der Verkehrswert wird mittels Schätzung nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Durchführung der Grundstückschätzung (GGS/SG) festgelegt. Eine Neubeurteilung der Schätzung erfolgt in der Regel alle zehn Jahre, auf Antrag des Eigentümers oder nach einer wesentlichen Veränderung der wertbestimmenden Eigenschaften eines Objektes. Ausserdem sollte der Verkehrswert eines Grundstücks ohne Neubeurteilung der Schätzung an die Entwicklung der Marktpreise angepasst werden, wenn sich diese im Vergleich zum Stand der letzten Wertermittlung um mehr als zehn Prozent verändert haben.
Fehlende Verkehrswertstatistik
Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, fehlte es an einer Verkehrswertstatistik, aufgrund derer eine solche Anpassung ohne Neubeurteilung der Schätzung vorgenommen werden könnte. In diesem Fall ist es dem Kantonalen Steueramt nur möglich, im Einzelfall eine Neubewertung der Schätzung zu veranlassen. Im vorliegenden Fall waren offenkundige Anhaltspunkte dafür gegeben, da der Kaufpreis erheblich, nämlich rund 45 % über dem letzten Schätzwert lag. Harmonisierungsrechtlich war somit eine Neubeurteilung der Schätzung nicht zu beanstanden.
Gleichbehandlung im Unrecht
Die Beschwerdeführer machten jedoch geltend, dass sie als Neuerwerber schlechter behandelt würden als bestehende Grundeigentümer und dass es willkürlich sei, vom Zehnjahresturnus abzuweichen. Grundsätzlich kann sich der Steuerpflichtige nicht mit dem Argument entziehen, das Recht sei in anderen Fällen falsch oder gar nicht angewendet worden. Weicht die Behörde nicht nur in einem oder in einigen Fällen, sondern in ständiger Praxis vom Gesetz ab, und gibt sie zu erkennen, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden werde, so kann der Bürger verlangen, gleich behandelt, also ebenfalls gesetzwidrig behandelt zu werden (Gleichbehandlung im Unrecht). Äussert sich die Behörde nicht über ihre Absicht, so ist anzunehmen, dass sie zu einer gesetzmässigen Praxis übergehen wird. Deshalb war auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit nicht zu beanstanden, dass das Steueramt im vorliegenden Fall den wesentlich über dem letzten Schätzwert liegenden Veräusserungspreis zum Anlass genommen hat, eine Neubeurteilung der Schätzung vorzunehmen.
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