Das Eigenheim wird noch teurer
Der Eigenheimmarkt in der Region St. Gallen zeigt sich stabil. Preisrückgänge, wie sie noch zu Beginn der Pandemie befürchtet wurden, sind bislang ausgeblieben. Das Interesse an Wohneigentum hat in den letzten Monaten sogar stark zugenommen. Das zeigt der aktuelle Immobilienmarktbericht der St. Galler Kantonalbank, den die Beratungsfirma Wüest Partner erstellt hat. Das Angebot wird der Nachfrage aber nicht gerecht. Das wirkt sich auf die Preise aus. Wer sich ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung leisten will, muss deshalb tiefer in die Tasche greifen. René Walser, Leiter Privat- und Geschäftskunden bei der St. Galler Kantonalbank AG, sagt: «Die Region St. Gallen ist geprägt von einem Nachfrageüberhang. Entsprechend haben die Preise markant zugelegt.» Bei den gehandelten Eigentumswohnungen in der Region betrug der Anstieg 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch stärker nach oben entwickelten sich die Einfamilienhauspreise: Diese liegen in der Region St. Gallen derzeit sieben Prozent über dem Vorjahresniveau.
«Hohe Wohnqualität hat in der Coronazeit an Wert gewonnen»
Gründe für die Nachfrage gibt es mehrere. Wie praktisch alle näheren Einzugsgebiete der grösseren Schweizer Städte sei auch die Region St. Gallen sehr beliebt, heisst es im Bericht. Einer der Gründe dafür sei unter anderem die Nähe zum Kantonshauptort mit dem entsprechenden Arbeitsplatz- und Bildungsangebot. Für viele Menschen dürfte sich der Wunsch nach einem Eigenheim dieses Jahr zusätzlich verstärkt haben. In Zeiten von Homeoffice, Quarantäne und Lockdown ist das Zuhause noch wichtiger geworden. Vor allem Familien suchten stärker eigene vier Wände mit mehr Platz, heisst es im Bericht. Auch Immobilienexperte Robert Weinert von Wüest Partner sagte im November dieser Zeitung: «Das Bedürfnis nach Raum hat sich im Zuge der Coronapandemie verstärkt.» Unmittelbar nach Ausbruch des Coronavirus sah aber alles noch anders aus, wie Thomas Eigenmann, Geschäftsführer der HEV Verwaltungs AG, ausführt. «Im März wurde es von heute auf morgen sehr ruhig. Es gab keine Nachfrage und keine Besichtigungen mehr.» Kurz danach habe es bei der Nachfrage nach Eigenheimen einen Schub gegeben. «Eine hohe Wohnqualität und insbesondere mehr Fläche haben in der Coronazeit massiv an Wert gewonnen.» Nicht nur Eigenheime seien begehrt, sondern auch tendenziell grössere Mietwohnungen würden vermehrt nachgefragt. René Walser von der St. Galler Kantonalbank ist ebenfalls der Meinung, dass beispielsweise das Homeoffice den Bedarf nach mehr Fläche beeinflussen kann. «Um allerdings die langfristigen Effekte beurteilen zu können, ist es noch zu früh.» Nicht zuletzt heizen auch die historisch tiefen Zinsen das Kaufinteresse an. So habe man im dritten Quartal 2020 spürbar mehr Handänderungen festgestellt, heisst es im Bericht.
In Muolen sind die Wohnungen am günstigsten
Die Suche nach passendem Wohneigentum gestaltet sich jedoch anspruchsvoll, denn der St. Galler Eigenheimmarkt ist weitgehend ausgetrocknet: Im Herbst sank die Angebotsquote – die Zahl der inserierten Objekte im Verhältnis zum Bestand – bei den Eigentumswohnungen auf 2,4 Prozent. Damit werden in der Region St. Gallen halb so viele Objekte angeboten wie im Schweizer Durchschnitt. In der Stadt St. Gallen beträgt die Angebotsziffer bei den Eigentumswohnungen 1,7 Prozent. In Gossau beträgt sie 2,7 Prozent, in Tübach 5,6 Prozent. Rorschacherberg weist die höchste Angebotsziffer mit 6,2 Prozent auf. Anders sieht es in Berg und Untereggen aus, dort beträgt sie 0 Prozent, in Muolen sind es 0,7. Auch die Preise unterscheiden sich. Für eine Eigentumswohnung blättert man in den Gemeinden zwischen Gossau und Rorschach durchschnittlich zwischen 591 000 Franken (Muolen) und 848 000 Franken (St. Gallen) hin. «In den Gemeinden Gossau, St. Gallen und Rorschacherberg werden derzeit besonders viele Eigentumswohnungen gesucht», sagt René Walser. Der Fokus der Suchenden liege vor allem auf Wohnungen mit fünf Zimmern und mehr.
Ältere Menschen wollen ihr Haus noch nicht verkaufen
Ähnlich wie der Markt für Eigentumswohnungen präsentiert sich jener für Einfamilienhäuser. Obschon die Neubautätigkeit in diesem Jahr etwas zugenommen habe und einige Wohnüberbauungen in Planung seien, dürfte der Nachfrageüberhang in absehbarer Zeit nicht gedeckt werden können, ist im Bericht zu lesen. Die Angebotsziffer bei den Einfamilienhäusern beträgt in der Region im Schnitt 1,2 Prozent. In der Stadt beträgt sie gerade einmal noch 0,5 Prozent – genau wie in Berg und Muolen. Die höchste Ziffer weist Rorschacherberg mit 4,6 Prozent auf. Egal ob am See, auf dem Land oder in der Stadt: In allen Gemeinden kostet ein Einfamilienhaus mehr als noch Anfang Jahr. In der Stadt St. Gallen beispielsweise im Schnitt 1,73 Millionen Franken. Ähnlich hoch sind die Preise nur in Mörschwil. Wie sich die Nachfrage entwickeln wird, sei wegen der unsicheren Wirtschaftslage schwer abzuschätzen, heisst es im Bericht. Grundsätzlich geniesse die Region St. Gallen jedoch eine «hohe Standortattraktivität». «Entsprechend dürfte Wohneigentum auch 2021 auf ein reges Kaufinteresse stossen.» Allgemein betrachtet dürfte das Angebot im Kanton vergleichsweise klein bleiben. «Versorgungslücken» gebe es vor allem im Bereich der familientauglichen Eigentumswohnungen mit mehr als vier Zimmern. Thomas Eigenmann vom HEV prognostiziert, dass die Nachfrage nach Eigenheimen ungebrochen hoch bleiben wird und die Preise auf hohem Niveau Bestand haben werden. Auf der Verkäuferseite sei jedoch eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Insbesondere ältere Menschen, so vermutet er, würden derzeit zögern, ihr Haus zu verkaufen, weil sie wegen Corona ihre Wohnsituation nicht verändern möchten. «Einige harren daher eher noch in den eigenen vier Wänden aus.»