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Bäume zu nah an der Grenze gepflanzt: Ein Fall aus dem Nachbarrecht

Die Grenzabstände für Pflanzen und hochstämmige Bäume sind im Nachbarrecht klar definiert. Doch wann gilt dieses Gesetz und was sind die Minimalabstände? Erfahren Sie im neusten Blog-Beitrag unseres Rechtsberaters lic. iur. C. Zumbühl, wie das Bundesgericht in einem Praxisfall entschieden hat.

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Der Sachverhalt: Beseitigung von zu nahe gepflanzten Bäumen

Ein Eigentümer im Kanton St. Gallen klagte gegen seinen Nachbarn bezüglich mehrerer zu nahe gesetzten Pflanzen, unter anderem auch wegen drei hochstämmigen Bäumen. Diese wiesen lediglich einen Grenzabstand von 4.9 bzw. 4.1 Meter auf. Nach einigen ergebnislosen Briefwechseln klagten die Nachbarn schliesslich auf Fällung der drei sich im Grenzabstand befindlichen Bäume. Das Kreisgericht entschied, dass die drei Bäume gefällt werden müssen. Die beklagte Partei reichte beim Kantonsgericht St. Gallen Berufung ein. Da das Gericht die Berufung abwies, erhob der Eigentümer des Baumgrundstücks Beschwerde beim Bundesgericht. Bei Rechtsfragen rund um Wohneigentum und Nachbarrecht steht Ihnen unser erfahrener Jurist ebenfalls gerne zur Verfügung.

 

Wie ist der minimale Grenzabstand von Pflanzen geregelt?

Im Nachbarrecht gilt der Grundsatz gemäss Art. 684 ZGB, wonach jedermann verpflichtet ist, sich aller übermässigen Einwirkungen auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. Für Pflanzen sind in Art. 687 f. ZGB Spezialbestimmungen vorgesehen. Nach Art. 688 ZGB sind die Kantone befugt, für Anpflanzungen je nach Art des Grundstücks und Pflanzen bestimmte Abstände vom nachbarlichen Grundstück vorzuschreiben. Die Bestimmungen, welche die Kantone auf der Grundlage von Art. 688 ZGB erlassen, bezwecken den Schutz von Nachbarn gegen Beeinträchtigungen durch den von Pflanzen auf dem Nachbargrundstück erzeugten Immissionen wie dem Entzug von Licht und Aussicht oder erhöhter Feuchtigkeit.

 

Der Kanton St. Gallen hat von diesem Vorbehalt in Art. 96 f. EG ZGB Gebrauch gemacht. Für die im Streit stehenden Bäume gilt dabei ein minimaler Grenzabstand für Hochstämmer von 6.0 Metern nach aArt. 98 EG ZGB, der gemäss der Übergangsbestimmung Art. 196 EG ZGB nach wie vor Anwendung findet.

 

Es wird vermutet, dass im gesetzlich fixierten Mindestabstand stehende Bäume negative Auswirkungen auf Nachbargrundstücke haben und diese beseitigt werden dürfen, ohne dass «übermässige Immissionen» nach Art. 684 ZGB oder ein besonderes Interesse an der Beseitigung im Einzelfall nachgewiesen werden muss. Der Beseitigungsanspruch ergibt sich aus Art. 679 ZGB.

 

 

Nachbarrecht und Pflanzen: Es gibt kantonale Unterschiede

Auch wenn unbestritten war, dass ein Nachweis übermässiger Einwirkungen der zu nahe an der Grenze gepflanzten Bäume nicht erbracht werden musste, rügte der Eigentümer des Baumgrundstücks, es sei zu lange mit der Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs zugewartet und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) verstossen worden. Da die Kantone nicht nur berechtigt sind, Abstandsvorschriften zu erlassen, sondern auch befugt, die Rechtsfolgen einer solchen Verletzung zu regeln, dürfen sie das Recht auf Beseitigung zu nahe gepflanzter Bäume (und anderer Pflanzen) auch befristen und zu diesem Zweck Verjährungs- oder Verwirkungsfristen vorsehen. Das st. gallische EG ZGB kennt allerdings anders als andere Kantone keine solche Fristen, weder in der aufgrund der Übergangsbestimmung (Art. 196 EG ZGB) anwendbaren früheren noch in der aktuellen Fassung, in der die Unverjährbarkeit in Art. 98 sexies EG ZGB ausdrücklich normiert wurde. Lehre und Praxis haben daraus geschlossen, dass die Beseitigung von Pflanzen im Unterabstand jederzeit verlangt werden könne. Das Bundesgericht hielt fest, dass sich die Rechtslage im Kanton St. Gallen von der aargauischen unterscheide, welche das Bundesgericht im Entscheid vom 7.9.2015 zu beurteilen hatte (BGE 5D_80/2015). Ob analog der aargauischen Praxis für den Beseitigungsanspruch eines zu nahe gepflanzten Baumes auch eine Verjährungsfrist von 30 Jahren anzuwenden sei, liesse das Bundesgericht offen, da im vorliegenden Fall diese Frist ohnehin noch nicht abgelaufen sei. Aus diesen Gründen hat das Bundesgericht die Beschwerde abgewiesen und die Fällung der Bäume bestätigt.

 

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