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Erhöhung von Mietzinsen und die Bedeutung der Nettorendite: Ein Fall aus der Praxis

Bei einer Anfechtung von Mietzinsen stützt sich das Bundesgericht je nach Alter einer Liegenschaft auf die Orts- und Quartierüblichkeit oder aber auf die Nettorendite. Doch was gilt wann? Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie sich das Bundesgericht in einem Praxisfall entschieden hat.

Eigenmietwert leerstehendes Objekt

Der Sachverhalt: Mietzinserhöhung bei Altbauten

Das Bundesgericht hatte einen Fall zu beurteilen, bei dem es um die Anfechtung eines Anfangsmietzinses ging. Die Parteien haben einen Mietzins von CHF 2'190.00 pro Monat vereinbart. Der bisherige Mietzins betrug CHF 2'020.00 pro Monat. Die Erhöhung wurde mit Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit begründet. Der Mieter hat darauf den erhöhten Mietzins bei der Mietschlichtungsstelle als missbräuchlich angefochten und verlangte die Berechnung der Nettorendite zum Nachweis des missbräuchlichen Ertrages. Die Vermieterin stellte sich auf den Standpunkt, es handle sich beim konkreten Gebäude um eine Altbaute, für welche die Missbräuchlichkeit nach Orts- und Quartierüblichkeit zu beurteilen sei. Nachdem vor Schlichtungsstelle keine Einigung erzielt werden konnte, legte das erstinstanzliche Gericht den Mietzins auf CHF 900.00 pro Monat, was vom Kantonsgericht bestätigt wurde. Die Vermieterin zog den Fall vor Bundesgericht.

 

Übersetzter Ertrag aus Mietobjekten?

Das Bundesgericht bestätigte den Anspruch des Mieters, den Anfangsmietzins nach Art. 270a OR als missbräuchlich anfechten zu können. Gemäss Art. 269 OR ist ein Mietzins missbräuchlich, wenn er dem Vermieter ermöglicht, einen übersetzten Ertrag aus dem Mietobjekt zu erzielen und gemäss Art. 269a OR wird vermutet, dass er nicht missbräuchlich ist, wenn er im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegt. Bei der Abklärung der Missbräuchlichkeit wird überprüft, ob der Mietzins dem Vermieter angesichts der vom ihm zu tragenden Kosten oder der marktüblichen Mietzinse im konkreten Fall keine übermässige Rendite verschafft. Bei der Anwendung dieser Methode sind die beiden Kriterien «Nettorendite» und «Orts- und Quartierüblichkeit» widersprüchlich, weshalb sie sich gegenseitig ausschliessen. Das Kriterium der Nettorendite basiert auf dem Nettoertrag des investierten Eigenkapitals. Der Mietzins muss eine angemessene Rendite im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital ermöglichen und gleichzeitig die Kosten decken. Der orts- und quartierübliche Mietzins orientiert sich an den Marktmietzinsen.

 

Wann handelt es sich um einen Altbau?

Gemäss Bundesgericht hat die Nettorendite gegenüber der Orts- und Quartierüblichkeit Vorrang. Der Mieter kann somit stets versuchen nachzuweisen, dass der Mietzins dem Vermieter einen übersetzten Ertrag verschafft. Bei Altbauten wird dieser Vorrang umgekehrt. Dann hat das Kriterium der orts- und quartierüblichen Mietzinse Vorrang. Im vorliegenden Fall wurde das Gebäude zwischen 1996 und 1998 errichtet, womit es sich nicht um einen Altbau handelte. Nach der bundesgerichtlichen Praxis handelt es sich dann um einen Altbau, wenn dieser mindesten 30-jährig ist. Im vorliegenden Fall war also die Berechnung der Nettorendite für die Beurteilung des missbräuchlichen Mietzinses von Bedeutung.

 

Neue Praxis bei der Nettorendite-Berechnung

Das Bundesgericht hat die ursprünglich vom erstinstanzlichen Gericht berechneten Nettorendite geprüft. Nachfolgend werden die vom Bundesgericht in Erinnerung gerufenen Elemente für die bisherige Praxis der Berechnung der Nettorendite aufgezählt:

  • Alle tatsächlichen Investitionskosten (oder der Erwerbspreis) des Gebäudes werden ermittelt.
  • Die Fremdmittel werden in Abzug gebracht, wodurch das Eigenkapital ermittelt werden kann.
  • Das Eigenkapital wird zu 40% an die Teuerung angepasst.
  • Die zulässige Rendite darf lediglich über dem Referenzzinssatz zuzüglich 0,5% liegen.
  • Zur zulässigen Eigenkapitalrendite werden die Immobilienausgaben hinzugerechnet.
  • Dieses Ergebnis wird dann auf die verschiedenen Wohnungen verteilt.
  • Schliesslich muss der so erzielte Mietzins mit dem aktuellen Mietzins verglichen werden.

 

In Anbetracht des zurzeit sehr tiefen Referenzzinssatzes ist das Bundesgericht zum Schluss gekommen, dass die bisherige Praxis nicht mehr haltbar ist und neu die zulässige Rendite 2% über dem Referenzzins liegen soll, wenn dieser 2% oder weniger beträgt. Zudem darf neu das Eigenkapital zu 100% an die Teuerung angepasst werden. In Anwendung dieser neuen Praxis legte das Bundesgericht den Anfangsmietzins auf Fr. 1'390.00/Mt. fest, was höher war, als der vom erstinstanzlichen Gericht berechnete Mietzins, aber deutlich tiefer, als der ursprünglich vereinbarte Mietzins.

 

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