Mietvertrag mit Zusatzleistungen für das Alterswohnen
Die Mietparteien Herr Koster* (Mieter) und Frau Allenspach* (Vermieterin) haben im Januar 2018 einen Mietvertrag für eine 1-Zimmerwohnung abgeschlossen. Im Mietvertrag wurde ein unbefristetes Mietverhältnis vereinbart, welches unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten auf jedes Monatsende kündbar ist, erstmals auf 31.07.2018. Die Vereinbarung der beiden Mietparteien wurde mit «Alterswohnen mit Dienstleistungen» bezeichnet und bestand aus zwei gesonderten Verträgen. Zum einen aus dem Mietvertrag, zum anderen aus dem Dienstleistungsvertrag. Jeder Vertrag regelte die entsprechenden Leistungen sowie deren Kosten / Mietzins. Der Gesamtpreis für beide Leistungspakete war auf den identischen Zeitpunkt zur Zahlung fällig. Im Dienstleistungsvertrag wurden unter anderem die Kosten für das Mittagessen, die Betreuung, die Beratung, das Notrufsystem, die Festnetztelefonie sowie die Nutzung der Waschmaschine und des Tumblers geregelt.
Der Mieter Koster kündigte am 03.03.2018 rückwirkend per 01.03.2018 ausschliesslich den Dienstleistungsvertrag bei Vermieterin Allenspach. Dies erledigte Herr Koster telefonisch und mit dem Verweis auf die auftragsrechtlichen Bestimmungen von Art. 404 OR, wonach die Auflösung des Dienstleistungsvertrages jederzeit möglich sei. Frau Allenspach akzeptierte die Kündigung nicht. Nach einem gescheiterten Schlichtungsversuch zog Herr Koster die Klage ans Regionalgericht Oberland (BE) weiter mit der Begründung, der Dienstleistungsvertrag sei ein unzulässiges und nichtiges Koppelungsgeschäft nach Art. 254 OR und dem Eventualantrag, dass der Dienstleistungsvertrag per 01.03.2018 gültig gekündigt sei. Als Koppelungsgeschäft bezeichnet man eine Zusatzvereinbarung, welche nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Sache, also der Wohnung, zusammenhängt und von der das Zustandekommen oder die Weiterführung des Mietvertrages abhängig gemacht wird. Es ist somit die Qualität der Zusatzvereinbarung, welche von zentraler Bedeutung ist. Bei einer unzulässigen Koppelung ist allerdings auch nur das gekoppelte Geschäft ungültig, nicht der Mietvertrag an sich.
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Rechtliche Erwägungen des Gerichts: Unterscheidung Pflegheim und Alterswohnen
Im Zentrum des Rechtsstreites zwischen Koster und Allenspach stand die Frage nach der rechtlichen Qualifikation des Vertragskonstrukts «Miet- und Dienstleistungsvertrag». In der juristischen Literatur werden die Verträge, welche den Aufenthalt in Alters- und Pflegeheimen regeln, uneinheitlich als Heim-, Betreuungs-, Pensions- oder Pflegeverträge bezeichnet. Im vorliegenden Fall bietet die Vermieterin nicht die Leistungen eines klassischen Alters- und Pflegeheims mit stationärer 24-Stunden-Betreuung und Pflege sowie Vollverköstigung an, sondern es handelt sich um ein «Wohnen mit Dienstleistungen» und ist daher als sogenanntes «Alterswohnen» einzustufen.
Beim Alterswohnen handelt es sich um spezifisch eingerichtete Wohnungen, meist in der Nähe von Heimen, von welchen ergänzende Dienstleistungen wie etwa die Reinigung, ein Wäscheservice und Verpflegung bezogen werden können. Beim Alterswohnen stehen meist mietvertragliche Komponenten im Vordergrund und es ist von standardmässigen, den Bestimmungen des Obligationenrechts unterliegenden Mietverträgen auszugehen. Das Alterswohnen besteht aus Elementen verschiedener Vertragstypen, weshalb es sich dabei um einen Innominatkontrakt handelt. Die Innominatverträge werden in der Lehre in gemischte und zusammengesetzte Verträge unterteilt. Unter den gemischten Verträgen versteht man einen einheitlichen Vertrag, in welchem Elemente verschiedener Vertragstypen kombiniert werden. Bei den zusammengesetzten Verträgen sind mehrere einheitliche und selbständige Verträge in einer Weise verknüpft, dass sie sich wie Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen.
Was ist ein Innominatvertrag?
Ein Innominate-Vertrag ist ein Vertrag, der keine spezifischen Rechte oder Pflichten festlegt, aber die Bedürfnisse der beteiligten Parteien berücksichtigt. Der Vertrag wird auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen, Treu und Glauben erstellt. Er ist oftmals schwierig zu interpretieren und daher meistens ein Streitpunkt in rechtlichen Auseinandersetzungen.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Gericht festgestellt, dass es sich beim vorliegenden Vertragskomplex «Alterswohnen» bestehend aus dem Miet- und dem Dienstleistungsvertrag um einen Innominatkontrakt handelt. Der Vertrag regelt ein «Alterswohnen», bei welchem nebst der klassischen Wohnungsmiete weitere Dienstleistungen angeboten werden. Die Verträge unterliegen einheitlichen Regelungen, wobei der Regelungsschwerpunkt bei der Wohnraumvermietung liegt und somit die mietrechtlichen Regelungen auf den gesamten Komplex zur Anwendung kommen. Aus diesem Grund konnte Mieter Koster weder den Dienstleistungsvertrag separat auflösen - erst recht nicht telefonisch - noch ist dieser ein nichtiges Koppelungsgeschäft. Dies weil der Dienstleistungsvertrag unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängt. (Entscheid Regionalgericht Oberland (BE) vom 10.10.2019 (CIV 19 534).
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