Fachartikel

Haftungsfrage: Wann haften Eigentümer eines Baumes?

Ein Fall aus der Praxis: Ein Ehepaar ist Eigentümer eines Waldgrundstücks. Im Frühjahr 2018 stürzten zwei morsche Bäume auf die angrenzende Gemeindestrasse. Die Notrufzentrale des Kantons benachrichtigte die örtliche Feuerwehr, welche die Baumstämme von der Strasse entfernte.

Haftungsfrage

Ein Entscheid des Bundesgerichts

Für den Arbeitseinsatz fielen fünf Arbeitsstunden à 60 Franken an und eine Grundgebühr für das Fahrzeug von 380 Franken. Insgesamt ergaben sich Kosten von 680 Franken, die dem Ehepaar in Rechnung gestellt wurden. Gegen die Rechnung erhob das Ehepaar Einsprache. Der Fall gelangte bis vor Bundesgericht. Die Eigentümer bemängelten, dass die Stammfäulnis nicht erkennbar gewesen und die Feuerwehr durch die Gemeinde und nicht durch sie selber aufgeboten worden sei. Daher bestehe keine Pflicht zur Kostenübernahme. Vielmehr sei die Gemeinde als Eigentümerin der Strasse für den Unterhalt verantwortlich. Dieser sei vernachlässigt worden, was den Feuerwehreinsatz ausgelöst habe. Die Gemeinde als Eigentümerin der Strasse habe die Kosten im Rahmen der Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR) zu tragen. Schliesslich argumentieren die Eheleute, ein Waldeigentümer sei nicht verpflichtet, den Wald zu unterhalten. Das Belassen eines Naturzustandes führe zu keiner Grundeigentümerhaftpflicht. Der Eigentümer eines Grundstücks hafte nicht für Schäden, die durch Pflanzen und Tiere hervorgerufen würden.


Keine Mitverantwortlichkeit der Gemeinde

Da die Einsprecher keine Beweise für den mangelhaften Unterhalt der Strasse eingereicht hatten, wurde eine Mitverantwortlichkeit der Gemeinde von den Gerichten verneint. Werden gemäss Art. 700 ZGB Sachen durch Wasser, Wind oder Lawinen auf ein fremdes Grundstück gebracht, hat der Grundeigentümer dem Berechtigten deren Aufsuchung und Wegschaffung zu gestatten. Für den daraus entstehenden Schaden kann er Ersatz verlangen. Dies bedeutet, dass der Eigentümer des einwirkenden Grundstücks berechtigt und verpflichtet ist, den umgestürzten Baum auf eigene Kosten zu beseitigen. Das Argument der Einsprecher, sie hätten keinen Auftrag für die Räumung der beiden Bäume erteilt, kann mit Blick auf Art. 700 ZGB entkräftet werden, da danach die Räumungskosten auf den Eigentümer des einwirkenden Grundstücks überwälzt werden können.


Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gefährdet

Zudem werden die privat-rechtlichen Bestimmungen von den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen überlagert, soweit es um den Schutz von Polizeigütern geht. Dass ein auf der Fahrbahn befindlicher Baum die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet, ist klar. Die Beseitigung der Bäume duldete keinen Aufschub, weshalb nicht zugewartet werden konnte, bis die Eigentümer des einwirkenden Grundstücks handelten. Gemäss Art. 100 des Strassengesetzes sind Beeinträchtigungen der Strasse durch Pflanzen unzulässig und bei bedrohten Polizeigütern unmittelbar zu beheben. Nach Art. 46 des Feuerschutzgesetzes sind Sicherungs- und Behebungsmassnahmen kostenpflichtig und vom Verursacher zu übernehmen. Zum Schluss prüfte das Gericht noch das Waldgesetz und stellte fest, dass mangels gesetzlicher Regelung das Argument der Einsprecher, das blosse Belassen eines Naturzustandes löse keine Grundeigentümerhaftpflicht aus, nicht zutreffe. Die Eigentümer hatten daher die Räumungskosten zu übernehmen.

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